Liebe Foris, dieser Kommentar ist sehr lesenswert... SZ 03.08.2019
Zitat in Bayern haben Wölfe im vergangenen Jahr fünf Schafe und drei Kälber gerissen. Viehhalter erhielten dafür 2780 Euro Entschädigung vom Staat. Diese Zahlen sollte man sich merken, wenn Politiker wieder einmal die Gefahren durch den Wolf herauf beschwören und sich selbst bei dieser Gelegenheit als Schutzpatrone inszenieren. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 wurden in bayerischen Tierkörperbeseitigungsanlagen 51250 tote Schafe eingeliefert, von denen viele auch deshalb verendeten, weil sich die Behandlung durch einen Tierarzt wirtschaftlich nicht lohnte. Als sich kürzlich ein Jungbär nahe der bayerischen Grenze herumtrieb, erinnerte der Amtstierarzt im österreichischen Reutte daran, dass alleine in Tirol jedes Jahr mehrere Tausend Schafe auf den Almen verschwinden – einfach so. Sie stürzen ab oder sterben an Krankheiten. Darüber regt sich niemand auf.
Wenn es aber um den Wolf geht, dann werden sogleich die Büchsen gespannt. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber verlangte am Mittwoch bei der Hauptalmbegehung in Mittenwald eine „Neubewertung des Themas“. Auf Deutsch übersetzt heißt das, sie will, dass man die derzeit streng geschützten Wölfe in Zukunft leichter abschießen darf. Die Forderung ist schon alleine deshalb kurios, weil es in den bayerischen Alpen im Gegensatz zu Ostdeutschland kein einziges Rudel gibt. Um Bauern in Rage zu versetzen, reicht bereits die Nachricht, wonach in Sellrain/Tirol der Kadaver eines Wolfs mit abgetrennten Kopf gefunden wurde – ein Unbekannter hatte ihn in einem Akt der Selbstjustiz getötet.
Das Verhältnis von Menschen und Tieren ist schon merkwürdig: Wer es sich leisten kann, der serviert seiner Katze „Bio-Gans mit Zucchini und Tomaten“ für 11,66 Euro pro Kilo aus dem Online-Shop. Kranke Haustiere bekommen in Deutschland eine bessere medizinische Versorgung als Menschen in den armen Regionen der Erde. Im Allgäu dagegen traktierte ein Bauer eine sterbende Kuh mit dem Schraubenzieher, von den Zuständen in der Geflügelmast ganz zu schweigen. Auch wenn es jetzt ein wenig nach dem „Wort zum Sonntag“ klingt: Es wäre schön, wenn Menschen den Tieren ihre Würde lassen würden – dem Schoßhund ebenso wie der Zuchtsau oder dem Wolf.
Sebastian Beck Ressortleiter Bayern Süddeutsche Zeitung
Heimat ist da, wo es nicht egal ist, ob es mich gibt - Harald Welzel